Nachdem wir für die Harburger Binnenhafen – und Fundpunkte Apps den Praxistest geliefert haben, war es längst überfällig, das auch für die „Mit 100 Sachen durch Hamburg App“ zu machen. Zeitlich passt das ganz gut, nachdem wir uns vor Kurzem im hafenradio Podcast HR007 mit Andreas Pfeiffer unterhalten haben, der sich intensiv mit historischen Photographien aus Hamburg und den dazugehörigen Geschichten befasst. Die 100 Sachen App wurde gemeinsam mit den Museen der Stiftung Historische Museen Hamburg als Teil des von der Kulturbehörde Hamburg geförderten Projekts „Museumswissen on Demand“ realisiert.
Jetzt also, zum Tag der deutschen Einheit bei herrlichem Spätsommerwetter, bietet sich die Gelegenheit die App entspannt zu testen. Vorab vielleicht noch ein paar Worte zur Idee die hinter der App steckt. Die historischen Museen in Hamburg und ihre unterschiedlichen Dependancen haben einen fast unerschöpflichen Fundus an Objekten, Informationen und Geschichten, die zum Teil in den Ausstellungen präsentiert werden oder in den Magazinen und Sammlungen lagern. Allen gemeinsam ist, dass sie einen Bezug zu konkreten Orten in der Stadt haben und diese Verbindung manchmal noch erkennbar ist oder die heutige, veränderte Situation der historischen gegenüber steht. Diese Beziehung zwischen Objekt im Museum und einem Ort in der Stadt soll die 100 Sachen App besser erfahrbar machen.

Natürlich konnten wir diese Beziehung nicht für alle Museumsobjekte in einer einzigen App abbilden, daher musste eine Auswahl getroffen werden. Alle Häuser, Hamburg Museum, Altonaer Museum und Museum der Arbeit, wählten insgesamt 100 Objekte aus ihren Ausstellungen und Sammlungen aus, die mit einem interessanten Ort in der Stadt in Verbindung stehen. Der App-Nutzer kann entweder zuerst ein Museum besuchen und dann die entsprechenden Orte aufsuchen oder genau anders herum, erst eine Tour durch die Stadt machen und sich bei Interesse auf die Suche nach den Objekten in einem oder mehreren der Museen begeben. Die Auswahl umfasst durchaus bekannte Objekte und Orte wie zum Beispiel den Schädel von Klaus Störtebeker, dem Piraten der in Hamburg hingerichtet wurde, oder die Ruine der Hauptkirche St. Nicolai, die heute als Mahnmahl dient, aber auch vieles das abseits des üblichen touristischen Hamburg Programms liegt. So soll die App alle ansprechen, die sich für die Geschichte der Hansestadt interessieren, Touristen, Neu-Hamburger und Alt- Eingesessene gleichermaßen. Und wer gerade nicht in Hamburg ist, der kann sich auch alles entspannt auf dem Sofa anschauen.
Ich habe mich für die Variante entschieden erst eine Tour durch die sonnige Stadt zu machen, mit einem Abschluss im Hamburg Museum. Auch wenn der Titel „Mit 100 Sachen durch Hamburg“ es vielleicht suggerieren mag, ich steige nicht ins Auto und gebe Gas sondern mache mich zu Fuß auf den Weg und nehme mir den ganzen Nachmittag Zeit. In der Hamburger Innenstadt ist die Objektdichte natürlich am höchsten und daher das beste Gebiet, um einen ersten Rundgang zu starten. Los geht es am Gänsemarkt, dann über den Jungfernstieg und die Bergstraße zur Petrikirche und dem Domplatz. Von hier weiter an der Hamburger Börse vorbei zum Nicolaifleet mit St. Nicolai, Alter Börse und neuer Burg. Dann wandere ich in die Speicherstadt am Brook entlang bis zum Sandtorhöft mit der Kehr-Wieder-Spitze. Die letzte Etappe wird dann das Hamburg Museum sein, das allerdings einige Kilometer entfernt ist. Also schnappe ich mir am Baumwall ein Leihfahrrad und bin nach knapp zehn Minuten am Museum angekommen.

Beim ersten Standort, dem Gänsemarkt, geht es nicht um historische Bauten sondern um Glücksspiel. Es war die Hansestadt in der 1614 die erste staatliche Lotterie stattfand, als der Hamburger Rat 1770 das Zahlenlotto einführte. Auf dem Gänsemarkt fand dann die öffentliche Ziehung der Lottozahlen statt. Und das hat sich bekanntlich bis heute als Konzept gehalten – allerdings im 20. Jahrhundert ins Fernsehen gebracht, wo es bis heute seinen festen Platz hat – natürlich für ganz Deutschland. In Hamburg wurden die Ziehungen in Lostrommeln allerdings nach wenigen Jahren aufgrund zahlreicher Bürgerproteste wieder eingestellt. Am Gänsemarkt selbst erinnert heute nichts mehr an die Lotterieziehungen aber alte Stiche zeigen was es für ein gut besuchtes Event war.
Am Jungfernstieg stehen Alsterpavillion und der Anleger der Alsterschiffe auf dem Plan. Das Hamburg Museum zeigt in seiner Ausstellung ein Element vom Geländer des Alsterpavillions aus den fünfziger Jahren. Die heutige Version vor Ort erscheint dagegen sehr sachlich, und Fahrräder müssen auf Anstand bleiben.

Am Schiffsanleger kann man heute noch das historische Dampfschiff St. Georg für eine Alsterrundfahrt besteigen. Von dieser Sorte Alsterdampfer fuhren im späten 19. Jahrhundert um die 30 Exemplare auf der Alster und waren das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel. Sie wurden aber schon bald in ihrer Bedeutung von Strassenbahn und Bussen abgelöst. Aber bis heute kann man zum Einkaufsbummel ins Zentrum noch immer mit dem Alsterdampfer fahren.
Mit Petrikirche, Dom und St. Nicolai sind drei Kirchen die nächsten Stationen meiner Route. Eine ist noch komplett erhalten und in Betrieb, die zweite völlig verschwunden und die dritte eine Ruine und Mahnmal. Die Schicksale der drei Kirchen sind eng mit der Geschichte der Stadt verbunden. Der Hamburger Dom und besonders St. Nicolai repräsentieren den eher tragischen Teil davon. So wurde die ursprüngliche Kirche St. Nicolai zum ersten Mal beim großen Brand von 1842 zerstört und wieder aufgebaut, um dann nach den Bombenangriffen von 1943 erneut in Trümmern zu liegen. Diesmal wurde sie nicht wieder aufgebaut sondern wird mit dem noch intakten, restaurierten Turm als Mahnmal gegen Krieg und Gewaltherrschaft genutzt.

Den Hamburger Dom haben die Hamburger aber selbst abgerissen – sicher eher aus politischen und weniger religiösen Gründen. Die Kirche wurde 1806 abgerissen, nachdem sie in staatlichen Besitz übergegangen war. Den meisten wird der Hamburger Dom heute als Volksfest auf dem Heiligengeistfeld bekannt sein. Dieser „Dom“ hat tatsächlich seinen Ursprung im alten Mariendom, um den herum Marktleute, Gaukler und Handwerker schon im Mittelalter aktiv waren und wo sie auch vor schlechtem Wetter Schutz suchten.
Nachdem ich mir noch einige weitere Stationen am Nicolaifleet, um die alte Börse herum angeschaut habe, gehe ich weiter in Richtung Speicherstadt. An der Brooksbrücke angekommen ist es erst einmal Zeit, um Kaffee und Sonne zu genießen und zwischen Touristen aus aller Herren Länder zu sitzen und sich selbst wie einer zu fühlen. Wenn die Sonne nicht so üppig scheint bietet sich als Alternative die nahegelegene Kaffeerösterei am Kehrwider Nr. 5 an, die selbst auch eine der 100 Stationen der App ist. Von hier kann man auch einen lohnenden Abstecher ins Speicherstadtmuseum machen, denn über diesen Teil Hamburgs lohnt es sich mehr zu erfahren als unsere App vermitteln kann.

Die letzte Outdoor-Station meiner Tour ist die Kehr-Wieder-Spitze, an der Mitte des 19. Jahrhunderts Abendrots Dampfmühle stand, eine der ersten Dampfmaschinen in Hamburg. Von hier hat man heute einen wunderbaren Blick über das Getümmel im und am Hafen und auf die jetzt schon fast fertig aussehende Elbphilharmonie.
Dieser Rundgang, der nur einen kleinen teil der 100 Sachen in der App ausmacht, zeigt schon eindrucksvoll, wie sehr sich das Bild der Hansestadt in den letzten 200 Jahren verändert hat. Teils durch drastische Zerstörungen, teils durch oft ebenso drastische städtebauliche Maßnahmen und wirtschaftliche Entscheidungen.
Jetzt hat mich aber auf jeden Fall die Neugierde gepackt, auch die Originale in den Museen zu suchen. Allerdings ist nur noch Zeit für eines der Häuser. Zu meinem heutigen Rundgang passt wie geplant sehr gut das Hamburg Museum, das nur wenige Kilometer entfernt liegt und mit dem Fahrrad bequem zu erreichen ist. Alternativ kann man auch mit der U3 vom Baumwall bis St. Pauli fahren.
Im Hamburg Museum schwenke ich direkt auf den stadtgeschichtlichen Rundgang ein, der am besten zu meinem heutigen Rundgang durch die Stadt passt. Und tatsächlich finde ich direkt viel Bekanntes wieder. Das Modell der alten Börse, Störtebekers Schädel, Das Gemälde vom großen Brand, die Decke des (nicht mehr vorhandenen) barocken Bürgerhauses Katharinenstraße 9 oder Überreste des Lettners vom Mariendom. Auch hier können die Beschreibungen in der App gut genutzt werden aber nach einiger Zeit taucht man tief in die vielen ausgestellten Objekte und Installationen ein und das Handy bleibt die meiste zeit in der Tasche.

Ist das Konzept der App nun also aufgegangen? Durch die Zuordnung der Objekte zur heutigen Erlebniswelt in der Stadt kann man sicher einen deutlich besseren Bezug herstellen als dies allein in einer Ausstellung möglich ist. Wenn man den Stadtrundgang vorab macht, trifft man in der Ausstellung auf viele „alte Bekannte“. Das hat mir einen viel Besseren Zugang zur Geschichte der Objekte ermöglicht und das wiederfinden hat auch Spass gemacht. Aus meiner Sicht funktioniert die Idee, die musealen Objekte mit Orten in der Stadt zu verbinden sehr gut. Für die App selbst sind mir viele Ideen zur Verbesserung gekommen, am wichtigsten vielleicht ein Index der Orte und Objekte, eine einfache Suche oder Tourenvorschläge. Am dringlichsten ist aber sicher die Android-Version der App, die es leider noch nicht gibt.
Der Rundgang mit App hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht und als nächstes stehen Altona, St. Pauli und Hafen an. Wir berichten dann natürlich hier im Hafenradio Bog.
Vielleicht laden und nutzen einige Leser unseres Blogs ja die 100 Sachen App und probieren es selbst aus. Wir würden uns sehr über Feedback, Kritik und Verbesserungsvorschläge hier in den Kommentaren freuen! Die App kann man kostenlos im Apple App Store runterladen.
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