30 Jahre Planet Alsen: Ein Lost Place mit Industrie- und Kulturgeschichte
Für unser „come back“ haben wir uns zwei besondere Künstler an einem besonderen Ort vor das Mikrofon geholt: Setus Studt, der geistige Vater von Planet Alsen, und Mirko Reisser aka DAIM der Graffiti-Artist aus Hamburg, mit dem wir übrigens in Folge HR026 (HR026 Hamburg Graffiti – eine bunte Zeitreise) schon einmal gepodcastet haben.
In der heutigen Folge geht es um einen Lost Place vor den Toren Hamburgs, der sich seit über 30 Jahren zu einem Hotspot der norddeutschen Sprayer-, aber auch der Lost-Place-Szene entwickelt hat. Wer auf Instagram das Hashtag #PlanetAlsen eingibt, findet schnell über 1000, oft sehr farbenfrohe Fotos dieser ehemaligen Industrieanlage bei Itzehoe.

360° Graffiti im ehemaligen Schlämmbottich mit der Skulptur „Fönx“ von Robert Schad
Bevor wir zu unserer neuen Podcast-Episode kommen, eine kurze Erklärung, was „Planet Alsen“ überhaupt ist: Alles begann in der Kreidezeit vor etwa 66 Millionen Jahren. Meeresablagerungen aus der Kreidezeit bilden die Grundlage für die reichen Vorkommen an feiner weißer Schreibkreide im Raum Lägerdorf, unweit von Itzehoe, die ein Grundstoff für die Zementherstellung ist. Mit dem Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert steigt auch der Bedarf an Zement für den Bau von Industrieanlagen in den Städten. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch der industrielle Abbau von Kreide Mitte des 19. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein beginnt. Im Jahr 1863 gründete der Namensgeber Gustav Alsen die Alsen’sche Portland-Cement-Fabrik bei Itzehoe. Das Unternehmen erlebte mit der Produktion des sogenannten Portlandzements einen schnellen Aufschwung. Über einen längeren Zeitraum exportierte es auch in Überseemärkte. Durch die Übernahme von Konkurrenten und deren Werken in Lägerdorf und Uetersen sowie durch zahlreiche Fusionen und Namensänderungen wurde aus den ursprünglichen Alsen’sche Portland-Cement-Fabriken im Jahr 2003 schließlich die „Holcim (Deutschland) AG“. Das Itzehoer Stammwerk von Alsen war allerdings bereits 1982 stillgelegt worden. Ein Großteil der ehemaligen Fabrikgebäude wurde später abgerissen, erhalten blieben jedoch die heutigen Gebäude von Planet Alsen.

Setus Studt und Christoph in den Ausstellungsräumen von Planet Alsen
Ein besonders auffälliges Bauwerk auf dem Gelände ist der letzte erhaltene Schlämmbottich. Es handelt sich dabei um eine Rotunde mit einem Durchmesser von 32 Metern. In ihr wurde der Zementschlamm, wie in einem riesigen Mixgerät, mit einem großen Rührstab durchgerührt und auf diese Weise homogenisiert. Heute bieten besonders die erhaltenen Wände dieser Rotunde eine ideale Fläche für Graffiti-Künstler:innen und Musiker:innen nutzen diesen Raum, da er aufgrund seiner Form einen besonderen Nachhall erzeugt.

„Soundcheck“ im Schlämmbottich!
Heute sprechen wir mit Setus und Mirko über die Geschichte dieses faszinierenden Ortes, unternehmen einen Rundgang durch die Anlage und werfen natürlich auch einen Blick auf die Zukunft von Planet Alsen sowie die Ideen, die die beiden dazu entwickelt haben.
Wer sich über Alsen informieren möchte, sollte entweder direkt nach Alsen kommen, -Kamera nicht vergessen! -, oder das Kreismuseum „Prinzeßhof“ in Itzehoe besuchen.
Dort ist der Geschichte dieses ehemaligen Zementwerks ein ganzer /ein eigener Raum gewidmet.

Unsere Gäste: Setus Studt (links) und Mirko Reisser
Setus Studt
Setus, geboren 1954 in Itzehoe, ist freischaffender Künstler und Autodidakt, der seit 1985 die ehemalige Zementfabrik Alsen fotografisch dokumentiert. Was zunächst als Projekt zur Erhaltung der historischen Industrieanlage für die Nachwelt begann – angesichts eines geplanten Abrisses, der letztlich nur teilweise durchgeführt wurde –, entwickelte sich zu (s)einem umfassenden künstlerischen Projekt:
Aus seinen dokumentarischen Fotografien entwickelte er das Projekt „Planet Alsen“ , das die geheimnisvolle Welt des ehemaligen Industriegeländes als inspirierenden Kulturraum zeigt. Die Fotografien dienen dabei als künstlerische Zeugnisse, die die einzigartige Atmosphäre des Ortes einfangen.
Seit 2002 arbeitet er in einem Atelier direkt auf dem Alsen-Gelände und lässt sich weiterhin von der Umgebung kreativ inspirieren. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit engagiert er sich seit März 2003 als Ratsherr der Stadt Itzehoe und Mitglied des Kulturausschusses aktiv in der Kulturpolitik.
Mirko Reisser (DAIM)
Mirko, 1971 in Lüneburg geboren, ist ein Künstler, der vor allem durch seine großformatigen Graffiti-Arbeiten im 3D-Stil weltweit bekannt geworden ist. Die wiederholte Darstellung und kreative „Zerlegung“ sowie „Rekonstruktion“ seines Künstlernamens DAIM prägen sein Werk.
Bereits 1989 entstanden erste Graffiti-Arbeiten im öffentlichen Raum, übrigens auch auf Alsen. Ab 1996 studierte er Freie Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Luzern in der Schweiz. Er lebt und arbeitet heute in Hamburg.
Im Laufe seiner künstlerischen Karriere bereiste Mirko Reisser weite Teile der Welt und nahm an zahlreichen Ausstellungen in Museen und Galerien teil. Als Initiator und Mitorganisator hat er zahlreiche international beachtete Kunstprojekte realisiert, Ausstellungen kuratiert und Bücher herausgegeben. Viele dieser Projekte entstanden in Zusammenarbeit mit dem 1999 gegründeten Künstlerkollektiv getting-up.
Zusammen mit den seit Ende der 1980er Jahre aktiven Graffiti-Writern Oliver Nebel, Frank Petering und Andreas Timm veröffentlichte er 2021 das umfassende Werk über Graffiti in Hamburg: „Eine Stadt wird bunt“. Im November 2022 wurde dazu die gleichnamige und viel beachtete Ausstellung (EINE STADT WIRD BUNT – SHMH) im Museum für Hamburgische Geschichte eröffnet.
Links zum Thema
Planet Alsen, Planet Alsen Vision, HR026 Hamburg Graffiti – eine bunte Zeitreise, EINE STADT WIRD BUNT – SHMH, Wikipedia: Itzehoe, Wikipedia: Alsen, Setus Studt – Planet Alsen, Mirko Reisser – DAIM, Vergängliche Graffiti Kunst. Planet Alsen in Itzehoe
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